In diesem Post möchte ich euch erklären, wie man den CAN-Bus der F800R anzapft.

Warum? Weil ich es kann! ... und aus reiner Neugier, was da denn so läuft, oder vllt. um mal etwas Datalogging zu betreiben.
Mal schaun, auf welche Ideen ich sonst noch komme

Zuerst aber: Diese Anleitung beinhaltet Schritte, die Teile des Instrumentenpanels zerlegen und verändern.
Damit erlischt garantiert die Garantie, zumindest für das Instrumentenpanel, vielleicht auch für das ganze Motorrad.
Meine ist lt. Schweizer Recht eh gerade eben abgelaufen, also weniger problematisch.
... in der Bucht kostet das Teil ~4-500$ !!!

Zum Hintergrund:
In alten Motorrädern waren noch alle elektrischen Sachen direkt an die jeweiligen Schalter am Lenker angekabelt, mit der Konsequenz, dass ein massiver (und fehleranfälliger) Kabelbaum nötig war.
Alle modernen Kraftfahrzeuge (damit auch die meisten Motorräder) haben mehrere elektronische Bausteine:
- Motorcontroller/ECU: Einspritzung, Abgaskontrolle, Drehzahlbegrenzer, Zündwinkel etc.
- Powercontroller (Licht, Blinker, 12V für Navi etc) bei BMW glaub ich "ZFE" genannt.
- ABS-Steuereinheit
- Bordinstrumente: RPM, KM/H, Blinkanzeige, Tankfüllstand, Temperatur etc etc.
- Inertialsensoren (nur bei neueren R1200GS/S1000R/X/R. Für Traktionskontrolle/Wheelieblocker/DTC/ABSPro etc genutzt, bei Autos fürs ESP.
Diese alle direkt miteinander und untereinander zu verdrahten wäre unsinnig kompliziert.
Daher nutzen praktisch alle Fahrzeugbauer den sogenannten CAN-Bus: 2 Drähte (plus Masse als Referenz), welche alle Bausteine miteinander verbinden.
Die Bausteine werden wie Blümchen an einem Gänseblümchen-Kranz verbunden (also alle hintereinander), daher auch der englische Fachbegriff "Daisy-Chain".
Das vereinfacht den Kabelbaum sowie die Fehlersuche ungemein.
Wer mehr zum CANBus erfahren will, dem seien die folgenden Seiten empfohlen:
https://www.kvaser.com/can-protocol-tutorial/
https://de.wikipedia.org/wiki/Controller_Area_Network
Über den CAN-Bus reden also alle Elektronikbausteine in unserem Motorrad miteinander. Da möchten wir gerne mal zuhören...
Nur, wie? Aus elektronischer Sicht ist das einfach: wir müssen nur die 2 Kabel des CAN-Bus finden (sowie einen Massepunkt als Referenz) und daran ein "Messgerät" anhängen.
Aus Bastler-Sicht stellt sich sofort die Frage: Wo sind den die 2 Leitungen am einfachsten anzuzapfen?
Wer jetzt denkt: Diagnosestecker! ... liegt leider falsch. Da ist kein CANBus herausgeführt, sondern OBD (mit Standards SAE J1850 oder ISO 9141-2).
Ja, ein OBD-Stecker (zB in einem Auto) _kann_ auch eine Verbindung zum CANBus bereitstellen - muss er aber nicht.
Zwingend ist nur OBD - zumindest für Autos. Für Motorräder nichtmal das. Kommt noch dazu, dass BMW natürlich keinen "normalen" OBD2-Stöpsel verbauen konnte... nene... Irgend ein lustiger runder Anschluss.
Nur mit dem ELM327-Bluetoothstecker fürs Auto dran - geht leider nicht. UND: Der Diagnosestecker ist NUR mit der ECU verbunden, andere Daten kommen da also ned raus!
Irgendwo in diesem Forum fand ich den Schaltplan der F800(X). (PIC) Daraus wurde klar, dass u.a. die Bordinstrumente mit CANBus arbeiten. https://goo.gl/photos/8BKtPF9NPbc8zezt7
Und dass da ein nur 5-adriges Kabel hinführen sollte...
Bevor ich mit der eigentlichen Anleitung beginne, eine Liste der Werkzeuge und Komponenten:
- Torx-Bit-Satz. Der grösste war glaub ich T40 [, die kleinsten waren _sehr_ klein: T10 und T6.
- Elektroniklötkolben inkl. Lötfett und Lötzinn
- Flachschraubenzieher, diverse: zum das Bordinstrument zu zerlegen / auseinanderhebeln.
- USB-CAN-Konverter. Ich verwende den hier: http://www.fischl.de/usbtin/
- Multimeter
- Unbenutztes, jungfräuliches, relativ dickes USB-A-A-Verlängerungskabel. Dieses wird der Wissenschaft geopfert.
A. Bordinstrument ausbauen:
A1. Lampenschrauben (Torx) beidseitig lösen (NICHT rausdrehen)
A2. Lampe leicht nach unten schwenken
A3. Windschild demontieren und beiseite legen (3 Schrauben, Torx)
A4. Windschildhalter demontieren beiseite legen (4 Schrauben, Torx).
Da kommt man nur ran wenn die Lampeneinheit beiseite ist.
A5. Bordinstrument lösen: Wird von 3 Clips gehalten ("Segerringe").
Diese mit einem Flachschraubenzieher vorsichtig _zur Seite_ abziehen.
A6. Bordinstrument aus Halterung ziehen, "3 Stöpsel"
A7. Stecker abziehen. Vorsicht: 2 Schnappnasen links und rechts zuerst ausrasten.
https://goo.gl/photos/7jRoRqPdhp6sUFSv7
Da ist nun also besagter 5-Kabliger Anschluss, der in einem 6-poligem Stecker endet. (ein Pin also nicht belegt).
Nur, welche Kabel sind für CAN und Ground?
Klar, könnte man nun alle durchchecken. Der Schaltplan von vorhin wäre vllt auch ein Anhaltspunkt - aber ich traue keiner Dokumentation, die ich nicht selbst geschrieben hab! (und solcher auch nur sehr begrenzt ;)
Aber um einen dauerhaften CAN-Diagnose-Anschluss einzubauen, müsste man hier die Kabel zerfriemeln - unschön, und da vorne am Bug auch ein Risiko für Wasserschaden/Kurzschluss.
Wie wärs, mal IM Bordinstrument nachzuschauen?
B. Bordinstrument zerlegen
- Diese Schritte waren NICHT zerstörungsfrei bei mir!
- Leg das Instrument mit den Gläsern voran auf eine weiche Unterlage (Küchenrollen-Papier, Tuch etc.), um Kratzer in den Plastikscheiben zu vermeiden.
B1. Entferne alle Schrauben an der Rückseite. 7 Stück, Torx T10.
https://goo.gl/photos/uhJUSaA7rNYck2ZK7
B2. an der Unterseite (da wo der Drehzahlmesser / Schaltblitz ist) befindet sich ein schmaler Schlitz. _Vermutlich_ kann man da einen Schraubenzieher so einfädeln, dass man die Plastiknase vom Bügelchen trennen kann, und dann das Instrument aufklappen kann.
Bei mir ging das nicht, ich würgte, und ZACK war der Bügel kaputt. Aber das Instrument offen. (RAGEFACE)
https://goo.gl/photos/CMkXECCe1jrCKTpr6

B2.1. Geh was essen. Trink n Bier. knuddel dein Häschen. CHILL THE F*** OUT. Reg dich ab...
B3. Entferne die Zeiger. Sanfte Gewalt ist hier nötig - Die Zeiger bestehen aus einem schwarzen Kunststoff-Hütchen sowie dem eigentlichen Zeiger, aus Klar-Plexi. Sie sind aufgesteckt/geklemmt, und können gerade nach oben weggezogen werden.
B4. Entferne die Ziffernblätter. Diese sind in der Mitte (da wo die Achse durchgeht) mit 2 Nocken festgeklemmt. Sachte ziehen, dann klappt das.
https://goo.gl/photos/MDNarXq6jvEZzWej7 https://goo.gl/photos/7tV3hMEv1x94JRzv7
B5. Entferne die 3 Schrauben, welche das Elektronik/Anzeigeteil am hinteren Gehäusedeckel festhalten. Torx T6. (Rote Pfeile)
B6. Die Platine wird immer noch von 2 Kunststoffnasen des hinteren Deckels gehalten. (Gelbe Pfeile)
Daher: vorsichtig an der linken Seite des Tachos anheben. Nun habt ihr die Platine separat in der Hand.
Okay... soweit so gut.
Nur, leider ist so eine Platine kaum beschriftet. Nirgends steht einfach "CAN Anschluss hier!"
Also schaute ich mir die Chips auf der Platine genauer an.
https://goo.gl/photos/tykXzfoMhL7czupn7
https://goo.gl/photos/8UfxkJDKccaCZ5aE9
Und siehe da: Mittig ist ein Chip namens "NXP 82C250Y"
Einmal Googeln ergibt http://www.nxp.com/documents/data_sheet/PCA82C250.pdf
Das ist also der CAN-Transceiver. Und anhand der Pinbelegung die im Datenblatt beschrieben ist, kann man auch ermitteln, welcher der Stifte, die ins Kabel gehen, für was zuständig ist.
Ich habe einfach von jedem Pin des Transceivers mal an die Stifte durchgepiepst.
https://goo.gl/photos/LKtRFawPG4EXyAUa8
https://goo.gl/photos/8JvR2Cdv8zNBXKwk9
Nun ist die Sache schon wesentlich klarer.
Um nun einen sauberen CAN-Diagnoseanschluss anzubauen, könnte man einfach 3 Leitungen an die Platine anlöten... Gedacht getan: Als Anschluss eignet sich ein etwas dickeres USB-Verlängerungskabel, Typ A-A.
Im Gegensatz zur Schweinerei mit den Plastiknasen hat es BMW uns hier richtig easy gemacht, irgendwelche Kabel in das Bordinstrument zu legen. Why? Nobody knows...
Der hintere Gehäusedeckel besitzt 3 Plastik-Deckelchen/Stöpsel. Diese können einfach von Hand herausgezogen werden, und verdecken je ein ca 5mm grosses Loch, welches direkt Zugang zur Platine bietet. Wunderbar!

C. USB-Kabel an die Platine löten & verlegen https://goo.gl/photos/PKmFhgHGCmvj98cz6
C1. Halbiere das USB-Kabel. Schnipp! Leg das männliche Ende beiseite, es kann später um Anschluss an einen CAN-USB-Konverter (PC-Analyse etc) verwendet werden.
Ich verwendete für den Anschluss am Instrument die weibliche USB-Buchse - diese kann man bei Nichtgebrauch einfach zukleben.
C2. Isoliere ca. 6 cm des USB-Kabels ab. Also äusseren Kunststoffmantel, Schirmgewebe, Alufolie. Das sollte die 4 Adern freilegen. Wir benötigen nur 3: Ground (Schwarz), sowie die USB-Datenleitungen (Grün und Weiss).
Das rote Kabel (+5V) knipste ich ab - ich wollte nicht aus versehen irgendwoher irgendwie 5V Spannung wo sie nix verloren hat.
C3. Um zu verhindern, dass evtl. Reste des Schirmgewebes auf die Platine kommen, habe ich das Ende des USB-Kabels mit etwas Schrumpfschlauch sauber isoliert. https://goo.gl/photos/6G3E8jggvGHwJCyA9
C4. Isoliere bei der Schwarzen, Grünen und Weissen Ader je ca 5mm ab.
C5. Verzinne die gerade eben abisolierten Enden.
C6. Führe das USB-Kabel-Ende durch eine der Öffnungen in den hinteren Gehäusedeckel. Dies jetzt, weil man es später (wenn alles angelötet ist) nicht mehr kann ;)
C7. Ich lötete die Ader-Enden direkt an die rückseitigen Lötpunkte der Stecker-Stifte des Instruments. Diese sind mies zugänglich - eine ruhige Hand und ein schmaler aber heisser Lötkolben sind von Vorteil.
Schwarz bleibt GND, Grün ist nun CANH und Weiss ist CANL.
https://goo.gl/photos/i3XgX1xx28jxzZhL6
C8. Das Instrument kann nun wieder zusammengebaut werden. Zuerst wird dazu das Kabel sauber unter der Platine so verlegt, dass es nirgends gequetscht wird oder die Platine verbiegt. Am unteren Rand (unter dem Drehzahlmesser) klappte das gut.
https://goo.gl/photos/u8JefkesPsBdjFxV9
C9. Da der Zusammenbau einige Tücken hat, hier einige wichtige Punkte:
- Platine zuerst auf der rechten Seite in den Gehäusedeckel bzw. die Schnappnasen einklinken, erst dann Kabel positionieren, und zuletzt Platine ablegen. auf die Stifte der Steckerbuchse auf der Rückseite achten. Diese "verpassen" gerne ihre Löcher!
- Schrauben nicht vergessen (3x T6). Erneut auf Kabelposition achten. Mein Kabel ist durch sanften Andruck der Platine praktisch zugentlastet bzw. fixiert.
- Ziffernblätter einbauen. In der Mitte mit einem Fingernagel (Flach-Schraubenzieher für alle nervösen Leute) die Blätter in die Nasen einrasten/reindrücken.
- Zeiger aufsetzen. Hinweis: die Zeiger-Motoren haben einen internen Endanschlag. Dieser ist NICHT "Zeiger schlägt an Kunststoffwand"!
Setze den Zeiger zuerst nur ganz sanft obendrauf und drehe den Zeiger-Motor in den Endanschlag, bevor du den Zeiger fest aufdrückst.
Und: die Ruhestellung/Endanschlag (NICHT Nullstellung) ist leicht "vor Null", sowohl für RPM als auch für Tacho.
FALSCH: https://goo.gl/photos/kEvMAEh6oy1wDZ6NA
RICHTIG: https://goo.gl/photos/P1YupqzU7dnG5ADj8
An diesem Punkt kann man bereits einen Funktionstest machen, wenn man CAN-USB-Wandler etc. schon ready hat!
C10. Bordinstrument wieder zusammenschrauben, 7 Schrauben Torx T10 https://goo.gl/photos/uD3Qx8F8Z5m3sAKy8
So, fast fertig!
C11. Bordinstrument am Motorrad wieder anstöpseln. Anbauen würde ich es erst wieder vollständig wenn der CAN-Anschluss klappt ;)
So, bevor ich nun das Instrumentenpanel wieder voll verschraubte, fing ich an, mit meinem CAN-Tool zu scannen, und zu testen, auf welcher Bitrate der Bus arbeitet....
...aber mehr dazu im nächsten Post

Erstma is Feierabend! Prost!
Bis bald, AlchemX