Alternative Zündsystem- Komponenten

Die Technik der neuen F800S + F800ST + F800GT.

Alternative Zündsystem- Komponenten

Beitragvon phil » 29.08.2010, 10:10

Mache derzeit ein paar spannende Experimente mit Gleitfunkenzündkerzen, Nology Kondensatorentladungskabeln und ROZ 102 Sprit.

Die Vorteile einer Gleitfunkenzündkerze liegen auf der Hand: Funkenlage ist quer zur Flammfront und der Flammkern wird durch den längeren Funken vergrößert. Die Vorteile von einer Kondensator Funkenentladung sind auch bekannt: Der Zündfunke wird erheblich intensiver. Die hohe Intensität geht jedoch auf Kosten der Funkendauer. D.h. der intensivere Funken hat eine kürzere Lebensdauer.

Folgende Information erreichte mich am 29.08.2010 von Roadslug, alias Hans-Peter: Quelle: "Kraftfahrtechnisches Handbuch" von Bosch ISBM 3-18-418005-0, Seite 396 bis 399. Typische Zündfunkenbrenndauer 1-3 mS, typische Zündenergie 60-120 mJ und typischen Dauer für die Verbrennung an sich ist 1-2 mS. Wir wissen jetzt also, daß die erforderliche Mindestfunkenbrenndauer unterhalb von 1mS liegen darf.

Folgende Information finde ich im Internet: Quelle: "Auszug aus einer Untersuchung der Fachhochschule Giessen-Friedberg" Die Zeit vom Überspringen des Funkens bis zur Entzündung des Gemisches, der Zündverzug (etwa 0,2 bis 1 ms), ist konstant. Die Zeit für die Verbrennung selbst beträgt beim Ottomotor etwa 40 bis 50 º KW (Grad Kurbelwinkel). Je schneller der Motor dreht, in desto kürzerer Zeit wird dieser Winkel durchlaufen und desto größeren Anteil an der Verbrennungszeit hat der Zündverzug. Weil die Verbrennungsgeschwindigkeit endlich ist (10 bis 30 m/s), verschiebt sich das Verbrennungsende mit höheren Drehzahlen immer mehr in die Expansion, also Richtung Auspuffsphase. Damit verschlechtern sich Wirkungsgrad, Leistung und Abgasverhalten; die thermische Beanspruchung nimmt zu.

Bei Powerboxer.de finde ich folgenden interessanten Bericht: http://www.powerboxer.de/Zuendzeitpunkt ... funke.html


Aus allen bisherigen Informationsquellen und meiner Historie als Elektrotechniker, ziehe ich folgenden Schluß:

Ergänzung 15.09.2010 In dem powerboxer Bericht wird von 2 Philosophien gesprochen. Philosophien sind Geisteswissenschaften welche sich mit Glaubensbekennungen und Weltanschauungen auseinander setzen. Wenn wir ein Gemisch im Brennraum entzünden wollen, handelt es sich leider nur um eine technische Wissenschaft. Funktionierende Technik ist nicht eine Frage des Glaubens oder gar Magie und Voodoo, sondern ein Ergebnis aus umgesetztem Wissen. Wir wissen, daß homogenes Gemisch nicht wirklich homogen ist, also wissen wir, daß die Wahrscheinlichkeit einer sicheren Zündung höher ist, je länger der Zündfunke ist und somit einen Molekularbereich trifft der für die Zündung optimal ist. Wir wissen auch, daß ein Zündfunke ausgeblasen werden kann, also wissen wir, daß die Wahrscheinlichkeit ausgeblasen zu werden geringer ist, je kräftiger der Funke ist. Außerdem wissen wir, daß der Spielraum für verzögerte Entzündung geringer wird, je kürzer die Funkenbrenndauer ist. Und wir wissen jetzt, daß die Zündenergiemenge eine entscheidende Rolle spielt. Aus diesen klaren Fakten ergibt sich die Forderung nach einem geometrich langen Funken, welcher möglichst kurz aber heftig brennt, damit der Verbrennungsvorgang sicher und optimal in Gang gesetzt wird.

Der 4 Ns Zündfunke, von welchem bei Nology die Rede ist, ist ein Mythos und technisch nicht möglich. 4Ns entsprechen
einer Frequenz von 250 MHz. Solche Werte können nur unter Laborbedingungen erzielt werden. Selbst wenn
die parasitäre Induktivität des Kondensatorkabels keine Rolle spielt (was ich bezweifele) haben wir immer noch
die Induktivität der Zündspule und der Zündkerze. Da alle Induktivitäten in Reihe geschaltet sind addieren sich
die Induktivitäten. 4 myS also eine Frequenz von 250 KHz (Langwelle) erscheint mir für die verbauten Klötze schon
eher realistisch. In der praktischen Realität jedoch, wird sich die Funkenbrenndauer wohl kaum viel mehr als eine
Zehnerpotenz verkürzen. Also von ca. 1mS nach 100myS, weniger sehe ich elektrotechnisch nicht.
Wenn der Zündfunke gleichermaßen um das 10 Fache intensiver wird, ist das Klassenziel aber schon erreicht.
Tatsächlich realistisch ist jedoch nicht viel weniger als 250 myS......also 4 bis 10 Mal schneller als üblich. Die
verbaute Hardware kann aus meiner Sicht einfach nicht mehr hergeben.

Und hier die Logik:

wenn die typischen Brenndauer von einem Zündfunken bei ca. 1mS liegt, kann die maximale Verzögerung der
Entflammung bei ca. 1mS ab dem Zündzeitbeginn sein. Eine mS ist aber bei 6000 UPM bereits 36° KW Umdrehung.
Die Entflammverzögerung in einem Motor, muß also relativ konstant sein, damit eine verlässliche Einstellung einer
Zündkennfeldtabelle überhaupt möglich ist. Verkürzen wir also jetzt die Funkenbrenndauer auf 50 myS, dann beträgt
der Entflammungsspielraum bei 6000 UPM also nur noch 1,8° KW

Und jetzt auf den Punkt gebracht:

Eine weitere Verkürzung der Funken- Brenndauer würde keine messbare Veränderung an der Motorcharakteristik erzielen :mrgreen:
Insofern wäre ein 4NS Zündfunke ohnehin nicht von besserem Nutzen als ein 50myS Zündfunke.......die maßlos übertriebene
Nology Werbung geht technisch gesehen also völlig ins leere...... :mrgreen:

Annahme:

Angenommen die meisten Entflammungen passieren bereits nach 250 myS, dann würde der 50 myS Funke die Entflammung
um mindestens 200 myS vorverlegen. Bei 6000 UPM wären das immerhin 7,2° KW. Wir können also prinzipiell davon
ausgehen, daß die Nology Kabel den Zündzeitpunkt präziser gestalten und um einen geringen Faktor den Zündzeitpunkt
vorverlegen. Bei gemütlichen Motoren wie der von einer CB1300 mit erlaubten ROZ 91 aufwärtz, könnte das evt. einiges
an Drehmoment und weniger Verbrauch im Teillastbereich bringen. Bei hochverdichtenden Motoren wie der Rotax und bereits
auf ROZ95 getrimmt, könnte die Vorverlegung bereits zum Klopfen führen. Ohne eine Möglichkeit das Zündkennfeld als
ganzes zu verschieben, wäre ich also skeptisch ob der Einsatz in einer F800 etwas bringt (abgesehen von der Problematik
das Kabel dort überhaupt unterzubringen....)

Der Einsatz von solchen Techniken muß also von Fall zu Fall geprüft werden und kann nicht allgemein betrachtet in jedem
Fall zum Erfolg führen.

Fazit: Die Frage nach der absoluten Untergrenze für eine Funkenbrenndauer, ist im Grunde genommen
nicht die richtige Frage......richtig wäre die Frage nach der mindestens erforderlichen Funkenbrennenergie.

Diese verschienden gesammelten Beiträge und Informationen deuten also darauf hin, daß die gesamte- Funkenergie
sich in einem Bereich zwischen 1mS und ca. 50myS entladen sollte, damit eine stabile Entflammung entsteht. Theoretisch
käme also dann auch eine sichere Entfammung zustande, mit einem Funken von 0,1Ns wenn dieser vom Energiegehalt
einer thermo nuklearen Entfaltung gleich kommt :mrgreen: ......aber wir wollen ja mit unseren Mopeds nicht
versehentlich den vierten Weltkrieg anfangen.......das wollen wir bestimmt nicht, oder? :mrgreen:

Spaß beiseite: die Gleitfunkenkerze hat eine günstigere Funkenlage (quer zur Flammfront) und es steht bei der
Entflammung keine Masseelektrode Flammhindert im Wege rum. Jedoch durch die längere Funkenstrecke (größerer Flammkern)
wird auch die Funkendauer in die Länge gezogen. Ohne tatsächlich insgesamt mehr Zündenergie werden wir
wohl kaum ein spürbar besseres Ergebnis zustande bringen. Wenn ein größerer Flammkern tatsächlich dabei
behilflich ist die Verbrennung von homogenen Gemischen zu optimieren, dann wird auch mehr Zündenergie
erforderlich. Der doppelt so lange Flammkern einer Gleitfunkenkerze hat erst dann die doppelte Zündwirkung
wenn die Kerze auch die doppelte Energie bekommt.

Damit das ganz klar ist: allenfalls wird der Entflammungsprozess schneller und die Verbrennung dadurch evtl.
vollständiger. Die eigentliche Flammfront hat ihre Motorspezifische Verbrennungsfortpflanzung und kann von
einer Zündkerze nicht verändert werden. Probieren geht über studieren. Nächste Woche bekomme ich den Rest hoffentlich
und dann werde ich eine Prüfstandmessung Vorher / Nachher (alternative Zündsysteme) machen.

Nology bietet zwar auch Adapter für die all-in-one Zündsysteme an, jedoch halte ich es für eine eindeutige
unzulässige bauliche Veränderung, die all-in-one Systeme lose unter der air-box unter zu bringen und ein
zusätzliches Kabel mit adapter einzubauen.....geschweige die Frage ob hierzu der Platz überhaut reicht.....

Bei der hoch verdichtenden F800 könnte ich mir eine Verbesserung der Laufkultur mit Gleitfunkenkerzen
kombiniert mit Aral 102 Sprit vorstellen.....und evtl. geringfügig weniger Sprit Verbrauch im Teillastbereich.
Die Gleitfunkenkerze BOR12LGS hat den gleichen Wärmewert wie eine DPR9EA-9 und ist daher nicht schädlich
sie ist etwas kühler als die serien DPR8EA-9 und für den Dauer- Vollastbereich empfohlen. Außerdem ragt der
Kerzenkörper wegen fehlender Masselektrode nicht so tief in den Brennraum wie die serien Kerze. Mit einer
Beschädigung muß in keinem Fall gerechnet werden.

Erstes Ergebnis im praktischen Versuch 14.09.2010: die Kombination 40KV Zündspulen + Nology Kondensatorentladungs- Zündkabel
+ Gleitfunkenkerze erzeugt bei einer Verdichtung von 9,6:1 (CB1300) eine Funkenbrenndauer von 350 myS (Korrektur 19.09.),
also einer knappen halben Millisekunde. Meine Einschätzung in der oben stehenden Annahme also nicht weit
verfehlt gemessen an der 4nS Dummquatsch Werbung von Nology. Gemessen wurde mit einem 20MHz
Fluke Hand- Oscilloskop im Leerlauf und bis ca, 4000 UPM. Auf allen vier Töpfen war ein perfektes
Ausschwingverhalten zu erkennen, welches die Qualität der Zündung unterstreicht. Durchgehend perfektes
Ausschwingen ist ein Zeichen für NULL / ZERO Zündaussetzer. Quelle: Honda Werkstattmeister.

Da die Gleitfunkenkerze durch das Gleiten des Funken über ein Dielektrikum (Keramik) den Funken streckt
und die Brenndauer in die Länge zieht, können wir bei Verwendung von einer normalen Kerze tatsächlich
von etwa 200 bis 300 myS Brenndauer ausgehen. Wie auch immer, die Brenndauer hat sich im Vergleich
zur Serien Zündanlage mehr als halbiert (eine genaue Messung an der Serie folgt noch) und der Funke ist
jetzt mehr als doppelt so lange wie in der Serie. Der erste subjektive Eindruck ist eine weitere Steigerung von
Drehmoment ohne Klopfen bei ROZ 102 Sprit. Besonders auffällig ist der extrem kultivierte Motorlauf.
Vibrationen sind im gesamten Drehzahlbereich kaum noch zu spüren. Dies spricht für eine gesteigerte
Präzision im Brennverhalten und vor allem eine gesteigerte Wiederholgenauigkeit der Verbrennungsabläufe.

Ergänzend möchte ich noch anmerken, daß ich von 8 Kerzen 4 nach möglichst gleichem Widerstand selektiert habe
Da jetzt nur noch die Widerstände von den Zündkerzen vorhanden sind (Zündkabel sind NULL Ohm und abgeschirmt)
würde ein 50% Abweichung sich u.U. im Gleichlauf bemerkbar machen. Die 4 verbauten Gleitfunkenkerzen
haben jetzt alle zwischen 7 und 7,7 KOhm, also im 10% Tolleranzbereich.

An dieser Stelle muß gefragt werden, warum solche Techniken, welche schon lange bekannt sind, in
dieser Kombination nicht serienmäßig eingesetzt werden? Auch die Bosch All-IN-One Zündung bei den
BMW Motorrädern ließe sich mittels geeigneter Konstruktion, mit Kondensator Entladung verfeinern.
Wie ich Bosch kenne, würden die es noch 10 X besser hin bekommen als Nology. Den Bosch Leuten
würde ich es zutrauen einen energiereichen 2mm langen Zündfunken mit 50 myS Brenndauer hin zu
bekommen. Die kompakte All-In-One Bauweise ist prädestiniert für eine reduzierte parasitäre
induktive und kapazitive Konstruktion. Gerade bei den höher verdichtenden Motoren wäre eine
bessere Präzision in der Zündwiederholgenauigkeit besonders wünschenswert.

Schlechte Nachrichten 23.09.2010: ich breche das Experiment mit der Hochleistungszündanlage ab.
Die kurzen und heftigen Zündfunken von 350 myS greifen zu sehr in die Zündcharakteristik ein. In
gewissen Lastbereichen ist bei Vollgas eine Minderung des Schubs festzustellen. Dies ist ein erstes
Indiz dafür, daß der Maximaldruck die kritische Grenze von ca. 8° KW nach OT unterschreitet.

Das bisher beste Ergebnis war die Kombination Serienzündanlage + Gleitfunkenkerze. Wie ich aus
Fachkreisen inzwischen erfahre, werden diese Hochleistungszündanlagen nur im Motorsport sinnvoll
eingesetzt. Es erfordert in jedem Fall Motoren mit Klopfregelung. Hingegen sollen die Gleitfunkenkerzen
sogar Motor schonend wirken.

Als nächstes interessiert mich jetzt die Messung am Prüfstand und die Abgasmessung.
Fortsetzung folgt.

Gruß, Phil
Zuletzt geändert von phil am 23.09.2010, 01:29, insgesamt 12-mal geändert.
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Re: Alternative Zündsystem- Komponenten

Beitragvon HarrySpar » 30.08.2010, 10:53

phil hat geschrieben:Kennt jemand hier die typisch erforderliche Mindestfunkdauer für eine sichere Entflammung?

Gruß, Phil


Ich glaube, das hat noch niemand erforscht.
Wenn die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfront ein Problem darstellt, bedient man sich ja immer einer zweiten Zündkerze.
Im Extremfall könnte man ja mit 5 Zündkerzen arbeiten.
Eine zentral, und die 4 anderen an den Rändern immer in den Freiräumen zwischen den Ventilen.
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Re: Alternative Zündsystem- Komponenten

Beitragvon phil » 14.09.2010, 23:56

HarrySpar hat geschrieben:Ich glaube, das hat noch niemand erforscht.


OK Herr Spar,

ich kann Deine Auffassung zwar nicht teilen, in 2010 gibt es kaum noch unerforschtes......
aber mir ist zumindest nicht bekannt, daß es eingestzt wird......insofern forsche ich
jetzt selber ein wenig rum, bitte siehe auch Ergänzung im Hauptbeitrag.

Gruß, Phil
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